Ein ganz normaler Tag
Es war eines der langen Wochenenden, das ich für diesen frühen Morgen ausgewählt hatte, um schon sehr früh dem anbrechenden Tag zu begegnen. Ich wollte ihm, mit all meinen Sinnen begegnen und zwar in der Millisekunde in der die Nacht in den Tag übergeht, die Stille der Nacht dem lauten Treiben des Tages weichen muss. Diesen jungen Morgen, wollte ich für eine tief greifende Meditation nutzen, um konzentriert in einen entspannten Tag starten zu können. Einer Eingebung folgend, zog ich kurzerhand meine Schuhe aus, um barfuß und tautretend in der Rasenfläche des Pfalzgartens der Kaiserpfalz in Goslar den Tag nach Kneipschen Vorbild zu beginnen. Die ersten Sonnenstrahlen, Boten des kommenden Tages und der Zaunkönig, dieser kleine Vogel ist der erste der das allmorgendliche Vogelkonzert immer anstimmt, kündigen das Nahen des neuen Tages an. Erholt und voller Elan durch meine morgendliche Meditation, gehe ich in diesen Minuten schon einmal gedanklich meine Tagesplanung durch.
Plötzlich eine Stimme
Plötzlich und völlig unvorbereitet werde ich auf einmal von einer Stimme angesprochen; eine Stimme, die von weither zu kommen schien und mir zurief: „Junge, Junge, seit 70 Jahren warte ich auf dich. Es wurde auch langsam Zeit wiederzukommen. Damals warst du zehn Jahre alt und bist tagtäglich in das Gebäude mit dem Turm in der Königstraße gegangen. Weißt du noch wie unsere erste Begegnung war und wie du mich das erste Mal, fast scheu, berührt hast? Gut ich war ja auch einer von vielen, ja tausenden, die da auf der Wiese vor der Kaiserpfalz gelagert waren und als du mich dann ausgewählt hast, war ich ganz schön aufgeregt und glücklich! Weißt du überhaupt noch, wie du mich das erste Mal in die Hand genommen und liebevoll angeschaut hast? Dann hast du ganz zärtlich über mich gestrichen, diese erste Berührung habe ich bis heute nicht vergessen. Ich empfand sie einfach sehr schön. Und so habe ich schon sehnsüchtig auf dich die letzten 70 Jahre gewartet. Wir haben uns ja auch noch so viel zu erzählen. Du erinnerst dich doch hoffentlich noch an mich? Ich hatte jedenfalls, als du vor einiger Zeit hier nach sehr, sehr langer Zeit wieder vorbeigekommen bist, erhebliche Schwierigkeiten dich überhaupt zu erkennen.
Es begann vor 70 Jahren
Bei unserem ersten Kennenlernen warst du ja mal ganze 10 Jahre alt und ganz schön dünn. Ich dagegen hatte schon einige Jahre mehr auf dem Buckel, wobei ich mein genaues Alter gar nicht genau kenne. Es waren wohl schon damals so an die 350 Millionen Jahre. Seit unserem 1. Treffen, habe ich hier oben auf dem Dach der Kaiserpfalz verbracht und auf dich gewartet. Von meinem Standort aus habe ich immer alles gut beobachten können und von hier oben immer sehen können wie du in deinen jungen Jahren tagtäglich das Gebäude mit dem Turm dort hinten in der Königsstraße betreten hast. Dieser Turm gehörte zur Goetheschule. Kannst du dich daran noch erinnern? Zu unserem ersten Treffen nahmst du mich in die Hand und prüftest meine Farbe und Aussehen. Weil du aber von mir und meiner Fitness nicht richtig überzeugt warst, nahmst du einen kleinen Hammer und klopftest mich von oben bis unten ab. Wolltest wohl hören, ob ich nicht doch einen Riss oder Sprung in der Schale habe,. Scheinbar zufrieden hast du mich zu meinen Schwestern und Brüdern gelegt.“
Teil 2 – Ich bin ein Sedimentgestein