Störenfriede
Die Pandemie hat meinen Lauf im Hamsterrad erst einmal beendet, hat mich aufschauen und durchatmen lassen. Um die einsetzende Ruhe genießen zu können nehme ich in dem Sessel, der links von meinem Schreibtisch steht, gemütlich Platz und lege erst einmal die Beine hoch. Diese ungewohnte Ruhe macht mich schläfrig. Im Halbschlaf werde ich ziemlich unsanft angestoßen. Ärgerlich blicke ich mich um, um dem Störenfried meine Meinung zu sagen, doch ich kann den Störenfried nicht entdecken. Brummig sinke ich wieder in meinen Sessel zurück und schlummere weiter vor mich hin. „Äh…Du!“, werde ich in die Wirklichkeit zurück gerufen. Jetzt reicht’s, denke ich über die erneute Störung mehr als nur verärgert. Aber auch diesmal bleibt der Störer unsichtbar. Jetzt spinnst du schon, dachte ich, da raschelte es auf einmal wieder. Das Geräusch kam scheinbar aus der Ecke, in der ich alte Bücher gelagert hatte.
Ein Wichtel?
Aus dem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung wahr und als ich genauer hinsah, turnte da ein Wichtel zwischen meinen Büchern rum. Amüsiert schaute ich seinem Treiben eine Weile zu. Es sah schon putzig aus wie er die einzelnen Buchseiten hochhob, dazwischen verschwand und auf der anderen Seite wieder hervorkam. Was macht er da bloß, fragte ich mich und wohin führte ihn sein Weg, wenn er schnurstracks auf der anderen Seite das Buch wieder verließ? Also schaute ich mit einer gewissen Neugier nach und verfolgte seinen Weg. Dieser Weg führte ihn zu einem kleinen Schreibtisch, der auf anderen Seite meines Büros stand und wo er sich Notizen machte. Ich begann immer neugieriger zu werden, um zu erfahren was er sich da aus dem Buch herausschrieb.
Ein zweiter Wichtel?
Plötzlich tauchte ein zweiter Wichtel auf, beide steckten die Köpfe zusammen und tuschelten miteinander. Zu gerne hätte ich ja gewusst über was, doch als ich näher an die beiden heranging, waren sie, schwupps, unter der Buchseite wieder verschwunden. Ihr Verhalten fand ich schon recht merkwürdig und geheimnisvoll obendrein und so beschloss ich dem Ganzen auf den Grund zu gehen. Ich blätterte das Buch durch, um zu sehen für was sie sich interessiert hatten. Es sollte ihr Geheimnis bleiben, jedenfalls konnte ich nichts Außergewöhnliches finden. Wichtel haben ja wohl auch eine andere Vorstellung und Lebensaufgabe als wir Menschen. Mit dieser Begründung tat ich das Ganze dann für mich ab, doch meine Neugier blieb und als ich mir die Bücher, in denen sie unterwegs waren, dann genauer ansah stellte ich fest, dass es Bücher aus den Jahren von 1898 und 1930 waren. Was mag sie in diesen alten Büchern wohl interessiert haben? Ich beschloss ihnen weiter zuzusehen, um daraus dann für mich Schlüsse ableiten zu können. Es ist ein emsiges Treiben, was diese beiden da veranstalten. Wieder tuscheln sie miteinander und beginnen auf einmal die Bücher zeitgemäß zu ordnen. Toll, dachte ich mir, diese Arbeit machst du ja sowieso nicht gern. Dieses Ordnen ist eine langweilige Arbeit, doch sie muss gemacht werden. Attraktiver wird sie dadurch aber auch nicht, denn nach dem Vorsortieren müsse die Bücher im Kellerarchiv eingelagert werden. Diese Arbeit scheinen diese Wichtel freiwillig übernommen zu haben, was mich diesen Störenfrieden gegenüber gnädiger stimmte; hatten sie doch meine wohlverdiente Ruhe unsanft unterbrochen. Emsig und ohne aufzusehen beschäftigen sie sich mit den alten Büchern aus den Jahren um 1919. Träume ich, oder ist es eine Täuschung meiner Sinne, dass ich dieses alles auf einmal wahrnehme? Oder ticke ich vielleicht nicht mehr ganz richtig?
Sie sprechen…
Als ich mir ungläubig die Augen reibe, spricht mich einer dieser beiden Wichtel an: „Kennst du uns denn nicht mehr? Ich muss schon sagen, dass ist ein schwaches Bild von dir“, fährt er fort. „Wir sind schon seit Jahren deine Begleiter auf Schritt und Tritt – und du behauptest, hast uns bisher nicht bemerkt?“ Ungläubig schaute er mich an. Doch bei allem Nachdenken, er war mir bisher nicht untergekommen, geschweige denn aufgefallen. Ungeduldig tippte der Gnom mit dem rechten Fuß auf, doch mir dämmerte nichts. Ich konnte mich an ihn bzw. sie nicht erinnern. Was sollte also diese blöde Anmache? „Wir helfen dir schon seit langen Jahren, was bist du nur für ein Träumer?“
„Na, Langer“, übernimmt wieder der andere Wichtel die Gesprächsführung.“
„Wir müssen dir wohl erst einmal auf die Sprünge helfen?!“ Langer, ich grübelte über diesen Spitznamen nach. Den hatte man mir in meiner Jugendzeit verpasst, was ich zu dem Zeitpunkt gar nicht lustig fand. Klar, ich war dünn, ein bisschen groß und schlaksig. Mich aber deswegen Langer zu nennen? Ich hänge noch gedanklich dieser Bezeichnung aus meiner Vergangenheit nach, da übernimmt wieder dieser Gnom das Wort.
“ Hast du dir überhaupt schon einmal Gedanken gemacht, was du mit all diesem alten Zeug und den alten Büchern machen willst?
„Ach wisst ihr“, nahm ich nach einer Denkpause ihren Gesprächsfaden wieder auf, „aber warum erzähle ich euch das alles?“
„Ich kenne ja nicht einmal eure Namen.“
Himpelchen und Pimpelchen
Die beiden Wichtel kugeln sich vor Lachen und halten sich die Bäuche: „Hi, hi, hi, ha, ha, ha, du machst wohl Witze?“, prusteten sie sich vor Lachen. Dabei zeigt der eine Wichtel auf den anderen an seiner Seite und sagt zu mir: „Darf ich vorstellen? Das ist Himpelchen und ich bin Pimpelchen.“
Fortsetzung Rucksacktouristen